Saturday, June 15, 2013

Deutschland im Sommer 2013: Klimawandel, Hochwasser und ein Manifest


Die Debatte über das Hochwasser weist Anzeichen auf, dass der Klimawandel längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist und zusammen mit der Energiewende ganz oben auf der Liste der Sorgen vieler Menschen hierzulande steht. Vor diesem Hintergrund fiel mir das Generationenmanifest auf, das eine Gruppe von deutschen Prominenten verfasst und diese Woche  in DIE ZEIT als ganzseitige Anzeige veröffentlicht hat. Rot gerahmt, setzt die Anzeige ganz auf die Kraft des Wortes, in der online Version gibt es dann auch Bilder und weitere Informationen.
Wer spricht?

Wir sind die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.
Wir sind die Politik. Wir sind die Wirtschaft.
Wir sind jung und alt, arm und reich, mächtig und ohnmächtig,
Väter, Mütter, Söhne, Töchter, Enkel und Großeltern.
Wir machen uns Sorgen. Große Sorgen.
Und das unabhängig von der Farbe unserer politischen Überzeugungen.

Fett gedruckt setzt sich das Manifest von dem Begriff "alternativlos" ab, der zu einem Chiffre für die Politik der Merkel-Regierung geworden ist. Statt dessen wird ausdrücklich ein Dialog und ein grundsätzlicher Wandel in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik eingefordert. Die zentralen Begriffe sind Nachhaltigkeit und generationenübergreifende Gerechtigkeit, das Manifest gliedert sich in Warnungen und Forderungen. An vorderster Stelle der Sorgen steht der Klimwandel:

WIR WARNEN Im Interesse zukünftiger Generationen und des sozialen und ökologischen Gleichgewichts

1. Der Klimawandel, die größte Bedrohung, die wir Menschen jemals erlebt haben, wird von der Bundesregierung und allen Parteien nicht mit höchster Priorität bekämpft. Sie setzen damit das Leben und das Wohlergehen zukünftiger Generationen aufs Spiel.
2. Die Energiewende, das bedeutendste Projekt unserer Generation, wird von den politischen Entscheidungsträgern halbherzig und inkonsequent umgesetzt. Wir werden sie haftbar machen, wenn sie die Chancen dieses Zukunftsprojektes aufgrund parteipolitischer Machtspiele fahrlässig gefährden.

Die weiteren Punkte umfassen eine deutliche Kritik an der Distanz der Politik zu den Bürgern, an der Schuldenpolitik und einer Politik zugunsten der Finanzindustrie und der daraus erfolgenden zunehmende Spaltung der Gesellschaft; unser Wohlstand, so wird kritisiert, geht auf Kosten der Armen, unser Bildungssystem ist undurchlässig und der Generationenvertrag wurde einseitig aufgekündigt. Dieser Warnung steht komplementär eine Liste von 10 Forderungen gegenüber, wieder mit dem Klimawandel beginnend:

WIR FORDERN Mut, Ehrlichkeit und generationengerechtes Handeln 

1. Die Bekämpfung des Klimawandels muss als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen werden.  (...)
2. Die Energiewende muss aktiv vorangetrieben werden, und zwar sowohl als “grüne” Energieerzeugungs-, als auch als Energiesparwende. (...)

Die weiteren Forderungen sind, entsprechend den Warnungen, die nach mehr Mitsprache, die Sanierung der Staatsfinanzen, die Regulierung der Finanzindustrie, soziale Gerechtigkeit, Bekämpfung des Hungers in der Welt, nachhaltige Entwickung, eine Reform des Bildungssystems und einen "neuen, fairen Generationenvertrag".
Auf der Website des Generationenmanifests findet sich die Aufforderung zu unterschreiben, das Ziel sind 100.000 Unterschriften. Über den Pressebutton und im Impressum finden sich Hinweise auf die für die Aktion federführende Unternehmerin Claudia Lange und die utopia Stiftung (ein mir unbekanntes Universum, vielleicht kennt sich jemand aus in dieser Szene?).

Von der Köchin zum Serienschauspieler, vom Öko- Institut zum Öko-Wissenschaftler, von der Unternehmerin zum Rockstar findet sich hier eine Gruppe von Prominenten zusammen, die ein gewisses Unwohlsein zum Ausdruck bringen, das derzeit in Talkshows auf und ab diskutiert und sicherlich von vielen Menschen geteilt wird. Mir fällt dabei auf, wie prominent der Klimawandel platziert ist und wie er mit der Finanzkrise in Zusammenhang gebracht wird - zwei globale Spektakel, denen die Bürgerinnen ohmächtig und, so die Kritik, die Politik tatenlos gegenüberstehen. Das soll sich ändern, und zwar in der Mitte der Gesellschaft. Der Preis dafür ist vielleicht die Schablonenhaftigkeit der verwendeten Begriffe und die Allgemeinheit der Forderungen. Jedenfalls zeigt sich hier eine Tendenz zu einer Form des Protestes, die bewusst auf die Mitte der Gesellschaft hin abgestimmt ist. Dorthin, worauf auch Harald Welzer und seine Futurzwei Initiative oder der große Transformationscomic abzielen:  Keine Angst vor Prominenz, vor Lifestyle- oder vor Gutmenschentum-Vorwürfen, sondern offenes Bekennen dazu im Auftrag der guten Sache. Es wird der Eindruck geweckt, dass hier die Mehrheit spricht und die Politik es ist, die endlich aufwachen und diese Forderungen umsetzen muss. So sieht das aus, im Hochwassersommer 2013, mit dem Klima und der öffentlichen Meinung.

add 17.06.2013 (Kommentar #6):
 Hier eine kleine Fortsetzung meiner ethnologischen Erkundungsreise in die Welt der Großen Transformation:

Wer Futurzwei von Harald Welzers Stiftung Zukunftsfähigkeit besucht muss schwören, mindestens eine Geschichte, die er oder sie dort findet, weiterzuerzählen. Nun denn:

Mich interessierten natürlich die "Hirnifragen". Drei kurze Videoclips, jedesmal ein Wortgefecht um klimagerechte und nachhaltige Lebensführung zwischen einem jungen Mann und einer jungen Frau im Museum, gespielt von Peter Unfried und Christiane Paul (die ich von Fatih Akins "Im Juli" kenne, einem europäischen Roadmovie, wo sie Moritz Bleibtreu auf einem Boot zu seinem ersten Joint verführt, und dann entschweben sie gemeinsam zu "Blue Moon" in die Wolken - toll, aber das ist eine andere Geschichte). Alle Szenen spielen im Naturkundemuseum in Berlin. Here we go:

Videoclip, 2. Folge: "Nutzt auch ein bißchen Öko?" Peter wirft Christiane vor, hier mal wieder einen auf Öko zu machen, dabei hat sie einen Pappbecher in der Hand und fliegt als Schauspielerin in der Welt herum. Sie regt sich auf und sagt, es sei besser als nichts zu tun. Dürfen sich Schauspieler denn nicht mehr engagieren? Peter muffelt. Da rufen wir doch den Harald an, sagt sie, der weiß Bescheid. Harald Schmidt? Nein, den Harald Welzer (der bald auch so bekannt sein wird wie der andere Harald).

Der sitzt in seinem schmucklosen Büro, sieht gut aus und antwortet freundlich: Es sei gerade wichtig, dass sie sich als Schauspielerin für Klimafragen einsetze, weil sie es damit zum Lifestylethema mache. Damit werde die ganze Klima- und Nachhaltigkeitsfrage hip und schick und sie hole es aus der Verzichtsecke raus, aus der Ökomuffecke etc.

Da lacht die Christiane und fragt den netten Harald, ob er mit ihr nicht auch mal einen durchziehen will, und der Peter, der alte Stinkstiefel, muffelt.

Die anderen Folgen heißen "wenn die Chinesen" (Antwort: Peter Levermann) und "Ist Öko nur für Reiche?" (Antwort Uwe Schneidewind). Aber das, liebe Zwiebler, dürft ihr Euch selbst ansehen!

add 17.06.2013, Kommentar #7 :
Im Großen Transformationscomic (S. 115 ff) erklärt Klaus Leggewie die hinter solchen Kampagnen stehende Strategie: zwischen Einstellung (ich will was gegen den Klimawandel tun) und Verhalten besteht oft ein großer Unterschied. Hier kommen sogenannte Change Agents ins Spiel. Diese "Pioniere des Wandels" "können einen Prozess auslösen, der nicht vom Wissen zum Handeln führt, sondern vom Handeln zum Wissen". (Wer würde nicht alles tun um so hip und sexy wie Christiane P. oder Harald W. zu sein?)

Das wird im Comic z.B. so illustriert: Robert und Marco, zwei Hipster, machen in Berlin Urban Gardening und bringen so Kopftuchfrauen, die dort wahrscheinlich wohnen und zufällig vorbeikommen, in Kontakt und näher an die Natur heran. Im Hintergrund sitzt das Mastermind, der Soziologe Klaus Leggewie, auf einem Permabeet und freut sich, wie seine Theorie der Trendsetter hier in die Praxis umgesetzt wird (S. 117).

Es gibt nämlich zwei Schulen, so Leggewie:

"Die eine setzt auf Ressourceneffizienz und stellt sich vor, dass sich auf dieser Grundlage nichts an den Gewohnheiten des modernen Lebens ändern muss. Ihre Anhänger denken, dass es reicht, auf einen Elektro SUV umzusteigen" (S. 118).

Klingt nach Pielke jr oder manchem Klimazwiebler (sagt mal, riechen Zwiebeln eigentlich schlecht, oder warum muffelt es hier heute so? Muss ma lüften...) Weiter gehts:

"Die andere Denkschule ist anspruchsvoller Sie behauptet, dass eine bestimmte Art von Überfluss zu hinterfragen ist. Und dass sich damit die Gewohnheiten des modernen Lebens, vor allem des Massenkonsums, im Hinblick auf künftige Generationen verändern sollten." (S. 118).

Dies ist durchaus umsetzbar, denn "Menschen sind sehr wohl fähig, die Vehemenz ihrer spontanen Wünsche erster Ordnung, also die kurzfristigen Präferenzen, durch Wünsche zweiter Ordnung, also Wünsche, die sich auf Wünsche beziehen, zu zähmen und dafür Kompromisse einzugehen".

(Na, da holpert die Transformation aber noch arg soziologisch daher. Zum Glück hats auch Bildchen).

Nachdenklich geht der Flaneur Leggewie nach diesem Streifzug durch die Berliner Wirklichkeit zurück in die schmucklose WBGU Geschäftstelle, wo die anderen coolen Masterminds - 7 Männer und 2 Frauen - bereits auf ihn warten (120/121).

Die Welt kann noch gerettet werden, wenn Obama endlich auf Prof. Dr. Dr.hc. Hans Joachim Schellnhuber hört (S. 19) und wir gelernt haben, im Futur 2 zu denken: d.h., wenn wir diesem Think Tank und seinen Governancestrategien wie Puppen an den Fäden von Marionettenspielern gefolgt sein werden.

Tja, eh, nun ist dieser kleine Erkundungsgang rund um das Generationenmanifest zu Ende. So sehen also Governancestrategien zur Weltrettung im Sommer 2013 aus. Ich glaub, ich brauch jetzt erstmal einen Latte Macchiato. Geht doch in Ordnung, klimatechnisch, oder?

9 comments:

Hans von Storch said...

Wie schön, daß wir Betreiber der Klimazwiebel doch manchmal richtig gegensätzliche Meinungen habe. Für mich ist dies Manifest vor allem Ausdruck des regionalen Zeitgeists ohne jeder Ahnung, wie das "Staatsziel" umgesetzt werden kann. Ein leeres Gerede. Eine Ablenkung von all den anderen Problemen, von denen kaum einer verlangt sie als Staatsziel einzusetzen.

Anonymous said...

Im 15. Jahrhundert belegte der Bischof von Lausanne die Maikäfer mit lebenslanger Verbannung und Kirchenausschluss.

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/insekten-ausstellung-die-exkommunikation-der-maikaefer-1.468526-4

Ist ein Weile her und inzwischen ereignete sich die Aufklärung mit ihrem "Wunsch danach, dass menschliche Angelegenheiten von der Vernunft geleitet werden, anstatt durch Religion, Aberglauben oder Offenbarung" (D. Outram).

Im 20. Jahrhundert folgten diverse Rückfälle in voraufgeklärte Zeiten unter politischen -Ismen, die zum Glück alle gescheitert sind.

Und nun, 2013, fordern die Verfasser des "Generationmanifests": "Die Bekämpfung des Klimawandels muss als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen werden"

Interessant ist, dass die Initianten mehrheitlich den Generationen zugehören, die völlig überzeugt sind, nie auf die erwähnten -Ismen hereinzufallen, denen ihre Väter und Großväter bis in den Untergang gefolgt sind.
Tatsächlich sind sie gerade dabei, der aus den Moderhaufen und Abklingbecken all der gescheiterten Ideologien neu entstandenen Superideologie auf den Leim zu kriechen – dem Ökologismus.

Das "Generationenmanifest" der vermeintlich und in ihrer Selbstwahrnehmung Aufgeklärten erweist sich als ein Manifest der Gegenaufklärung. Die jahrelange Gehirnwäsche und Indoktrination von Bildungseinrichtungen, Schulen, staatlichen Stellen, Institutionen aller Art trägt offenbar Früchte - auch dank eines willkürlich gedeuteten, aber bewusst instrumentalisierten Wetterereignisses.

Den Klimawandel bekämpfen?!
Wie? mit welchen Mitteln? mit welchen Zielen?
Mit der konfusen Vorstellung etwa, es liessen sich mit einer konsequenten Umsetzung der Energiewende künftig Extremwettereignisse vermeiden?

Weiter im Manifest: "Wir werden sie haftbar machen"
Die grünen Khmer im Anmarsch? Gulags für Zweifler?

Die Melange von halbgaren Klimakvorstellungen, fehlgeleitetem Idealismus, diffusen Schuldgefühlen und robustem Geschäftssinn (EE-Industrie) vermag ihre trüben Kräfte vor dem Hintergrund der jüngsten Flutkatastrophe entfalten. Leid tun einem die Kinder, die hier mit vor den Karren gespannt werden, eine besonders widerwärtige Form intellektuellen Kindesmissbrauchs.

V. Lenzer

Freddy Schenk said...

Ich würde gerne Schildkröte fragen, was er über das Manifest denkt. Er arbeitet beim Baumarkt an der Säge. Seine Antwort kennen wir alle: "Halt die Klappe, ich hab Feierabend."

Politiker sind zunächst einmal bestrebt, gewählt zu werden (ohne Mandat keine Politik). Um gewählt zu werden, bieten die Parteien Themen an, die (wie sie meinen) die Bürger interessieren. Klimawandel und andere Punkte im Manifest gehören da kaum dazu.

"Wir fordern" sollte sich also an die Bürger richten, die die Themen nicht nachfragen. Und da wird dann ein Schuh draus - die Prominenten geben sich nämlich selbst als "Wir sind die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes" aus. Schildkröte gehört da wohl nicht zu den Bürgern dieses Landes, er hat schon Feierabend.

Freddy Schenk said...

OK, die Strategie ist doch anders. Es sollen erst 100.000 Unterzeichner gewonnen werden, die dann mit der Forderung allen Parteien NACH der Wahl vorgelegt werden. D.h. man will nicht die Wahl, sondern direkt die Politik danach beeinflussen. Damit umgeht man geschickt den Wählerwillen vor der Wahl. Offenbar traut man diesem nichts zu.

Werner Krauss said...

Hans,

"Wie schön, daß wir Betreiber der Klimazwiebel doch manchmal richtig gegensätzliche Meinungen habe."

Meinst Du mich? Wo in meiner Lagebesprechung des Hochwassersommers 2013 beziehe ich denn Stellung zu dem Manifest? War jedenfalls nie meine Absicht, das zu tun. Mich interessiert vielmehr diese Kampagne und ähnliche Aktivitäten, ihre Motivationen, ihr Umfeld, und ob sich da neue Tendenzen im "Mainstream" abzeichnen. Das machen wir Ethnologen hin und wieder so, das Terrain sondieren, auch mal über den üblichen Stellungskrieg in hinaus.
Würde mich also schon interessieren, welche Meinung ich denn da nun dennoch geäußert habe, Deiner Meinung nach. Oder handelt es sich hier, um es mit VLenzer zu sagen, mal wieder um einen typischen Fall von - natürlich unbeabsichtigtem - "Ethnologenmissbrauch"?

Werner Krauss said...

Hier eine kleine Fortsetzung meiner ethnologischen Erkundungsreise in die Welt der Großen Transformation:

Wer Futurzwei von Harald Welzers Stiftung Zukunftsfähigkeit besucht muss schwören, mindestens eine Geschichte, die er oder sie dort findet, weiterzuerzählen. Nun denn:

Mich interessierten natürlich die "Hirnifragen". Drei kurze Videoclips, jedesmal ein Wortgefecht um klimagerechte und nachhaltige Lebensführung zwischen einem jungen Mann und einer jungen Frau im Museum, gespielt von Peter Unfried und Christiane Paul (die ich von Fatih Akins "Im Juli" kenne, einem europäischen Roadmovie, wo sie Moritz Bleibtreu auf einem Boot zu seinem ersten Joint verführt, und dann entschweben sie gemeinsam zu "Blue Moon" in die Wolken - toll, aber das ist eine andere Geschichte). Alle Szenen spielen im Naturkundemuseum in Berlin. Here we go:

Videoclip, 2. Folge: "Nutzt auch ein bißchen Öko?" Paul wirft Christiane vor, hier mal wieder einen auf Öko zu machen, dabei hat sie einen Pappbecher in der Hand und fliegt als Schauspielerin in der Welt herum. Sie regt sich auf und sagt, es sei besser als nichts zu tun. Dürfen sich Schauspieler denn nicht mehr engagieren? Peter muffelt. Da rufen wir doch den Harald an, sagt sie, der weiß Bescheid. Harald Schmidt? Nein, den Harald Welzer (der bald auch so bekannt sein wird wie der andere Harald).

Der sitzt in seinem schmucklosen Büro, sieht gut aus und antwortet freundlich: Es sei gerade wichtig, dass sie sich als Schauspielerin für Klimafragen einsetze, weil sie es damit zum Lifestylethema mache. Damit werde die ganze Klima- und Nachhaltigkeitsfrage hip und schick und sie hole es aus der Verzichtsecke raus, aus der Ökomuffecke etc.

Da lacht die Christiane und fragt den netten Harald, ob er mit ihr nicht auch mal einen durchziehen will, und der Peter, der alte Stinkstiefel, muffelt.

Die anderen Folgen heißen "wenn die Chinesen" (Antwort: Peter Levermann) und "Ist Öko nur für Reiche?" (Antwort Uwe Schneidewind). Aber das, liebe Zwiebler, dürft ihr Euch selbst ansehen!

Werner Krauss said...

Im Großen Transformationscomic (S. 115 ff) erklärt Klaus Leggewie die hinter solchen Kampagnen stehende Strategie: zwischen Einstellung (ich will was gegen den Klimawandel tun) und Verhalten besteht oft ein großer Unterschied. Hier kommen sogenannte Change Agents ins Spiel. Diese "Pioniere des Wandels" "können einen Prozess auslösen, der nicht vom Wissen zum Handeln führt, sondern vom Handeln zum Wissen". (Wer würde nicht alles tun um so hip und sexy wie Christiane P. oder Harald W. zu sein?)

Das wird im Comic z.B. so illustriert: Robert und Marco, zwei Hipster, machen in Berlin Urban Gardening und bringen so Kopftuchfrauen, die dort wahrscheinlich wohnen und zufällig vorbeikommen, in Kontakt und näher an die Natur heran. Im Hintergrund sitzt das Mastermind, der Soziologe Klaus Leggewie, auf einem Permabeet und freut sich, wie seine Theorie der Trendsetter hier in die Praxis umgesetzt wird (S. 117).

Es gibt nämlich zwei Schulen, so Leggewie:

"Die eine setzt auf Ressourceneffizienz und stellt sich vor, dass sich auf dieser Grundlage nichts an den Gewohnheiten des modernen Lebens ändern muss. Ihre Anhänger denken, dass es reicht, auf einen Elektro SUV umzusteigen" (S. 118).

Klingt nach Pielke jr oder manchem Klimazwiebler (sagt mal, riechen Zwiebeln eigentlich schlecht, oder warum muffelt es hier heute so? Muss ma lüften...) Weiter gehts:

"Die andere Denkschule ist anspruchsvoller Sie behauptet, dass eine bestimmte Art von Überfluss zu hinterfragen ist. Und dass sich damit die Gewohnheiten des modernen Lebens, vor allem des Massenkonsums, im Hinblick auf künftige Generationen verändern sollten." (S. 118).

Dies ist durchaus umsetzbar, denn "Menschen sind sehr wohl fähig, die Vehemenz ihrer spontanen Wünsche erster Ordnung, also die kurzfristigen Präferenzen, durch Wünsche zweiter Ordnung, also Wünsche, die sich auf Wünsche beziehen, zu zähmen und dafür Kompromisse einzugehen".

(Na, da holpert die Transformation aber noch arg soziologisch daher. Zum Glück hats auch Bildchen).

Nachdenklich geht der Flaneur Leggewie nach diesem Streifzug durch die Berliner Wirklichkeit zurück in die schmucklose WBGU Geschäftstelle, wo die anderen coolen Masterminds - 7 Männer und 2 Frauen - bereits auf ihn warten (120/121).

Die Welt kann noch gerettet werden, wenn Obama endlich auf Prof. Dr. Dr.hc. Hans Joachim Schellnhuber hört (S. 19) und wir gelernt haben, im Futur 2 zu denken: d.h., wenn wir diesem Think Tank und seinen Governancestrategien wie Puppen an den Fäden von Marionettenspielern gefolgt sein werden.

Tja, eh, nun ist dieser kleine Erkundungsgang rund um das Generationenmanifest zu Ende. So sehen also Governancestrategien zur Weltrettung im Sommer 2013 aus. Ich glaub, ich brauch jetzt erstmal einen Latte Macchiato. Geht doch in Ordnung, klimatechnisch, oder?

Anonymous said...

@ Krauss

Was Sie sich – schon beinahe mit der Unerschrockenheit eines Koprologen – alles antun ... und anderen damit die entsprechenden Erfahrungen ersparen.
Danke, danke, danke!
(könnten Sie vielleicht doch "Wenn die Chinesen" und "Ist Öko nur für Reiche?" kurz rezensieren?!)

Ich gehe fest davon aus, dass Sie Ihren selbstlosen verdienstvollen Einsatz - ein eindeutiger Fall von "Ethnologenmissbrauch" – irgendwo, irgendwie werden geltend machen können, vielleicht nicht heute, aber bestimmt nach der Großen Transformation. Der Latte Macchiato liegt dann allerdings nicht mehr drin. Genießen Sie ihn, so lang das noch toleriert wird, ohne dass gleich die Öko-Empörungsfluten anschwellen.

Hinterher und frisch gestärkt lohnt sich evtl. eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen "Kitsch" in der Klimadebatte.

V. Lenzer

@ReinerGrundmann said...

Werner,
danke für die köstlichen Einblicke in die Deutungen einiger klimabesorgter deutschen Pop-Sozialwissenschaftler. Ich weiss zwar nicht ob du Leggewie auch als hip und sexy einstufen willst, also aber das ist hier nicht wichtig. Du zitierst Leggewie

'Es gibt nämlich zwei Schulen, so Leggewie:

"Die eine setzt auf Ressourceneffizienz und stellt sich vor, dass sich auf dieser Grundlage nichts an den Gewohnheiten des modernen Lebens ändern muss. Ihre Anhänger denken, dass es reicht, auf einen Elektro SUV umzusteigen" (S. 118).'

Ich sehe nicht, wie das auf die Differenz zwischen Christiane P und Peter U passt. Denn die Annahme, jedes kleine bisschen (an Verhaltensänderung) hilft den Klimawandel zu stoppen ist doch gerade Bestandteil 'Christianes' Vorstellung. Also Elektroauto ist besser als Normalauto, Pappbecher besser als Plastik, etc.
Wenn du das mit Pielke Jr oder Klimazwieblern in Verbindung bringst (Hartwell fehlt da noch), dann ist das ein Missverständnis, denn deren Argument ist doch, dass diese kleine Änderungen nichts ausrichten angesichts der Herausforderungen im globalen Wandel (Stichwort: Energie- und Ressourcenbedarf der Entwicklungsländer).

Doch weiter mit Leggewie:

"Die andere Denkschule ist anspruchsvoller Sie behauptet, dass eine bestimmte Art von Überfluss zu hinterfragen ist. Und dass sich damit die Gewohnheiten des modernen Lebens, vor allem des Massenkonsums, im Hinblick auf künftige Generationen verändern sollten." (S. 118).

Tja, hier zeigt sich die selbstquälerische westliche, aufgeklärte Mittelklassenmentalität. Statt zu fragen was die Bedürfnisse derer sind, die nach unserem Lebensstandard streben und wie diese befriedigt werden können, steht für Leggewie von vornherein fest, dass Überfluss ('eine bestimmte Art von Überfluss' - was ist das? Was man früher Luxus nannte?) das Problem ist. Da müsste doch sehr viel genauer argumentiert werden um dieses statement plausibel zu machen.

Oder gilt die schlichte Logik, dass jede Einheit an Überfluss, die im reichen Westen eingespart wird, in der armen Welt ausgegeben werden kann?

Insofern gibt es eine dritte Denkschule, die der Denkfaulheit.